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Die VR Welt befindet sich momentan in der „typisch deutschen“ Henne-Ei Situation. Täglich erlebe ich Situationen die mich wie ein Flashback aus den 90ern treffen.

Damals diskutierte man mit durchaus interessierten Kunden darüber ob die CD-ROM (und wenige Jahre später das Internet) als notwendiges Übel und ernst zu nehmender Kanal Unternehmenskommunikation aufgenommen werden soll und wenn ja, für wie lange.

Das nicht ganz unübliche Briefing lautete oft: „Die anderen haben auch schon sowas, macht mal was.“ (Was die Sache nicht unbedingt besser machte.)

Natürlich hatte man auch nicht auf jede Frage eine passende Antwort. Es wurde experimentiert und geforscht. Dinge wurden ausprobiert (ja, auch manchmal auf Kosten, aber auch oft genug zu Gusten des Kunden) und auch wieder verworfen.

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Was geblieben ist, war ein wertvoller Lernprozess auf beiden Seiten.

Wer wesentlich später eingestiegen ist, hat nicht unbedingt alles Schlechte verpasst, musste sich aber am Ende eingestehen, vor zu wenig Wände gelaufen zu sein, um in einer Zeit in der offensichtliche Fehler in der Konzeption, schon kritischer betrachtet wurden, teurer bezahlt werden mussten.

Nun stehen wir zwanzig Jahre später wieder hier und glauben schon alles gesehen, gehört, geklickt, getoucht und geswiped zu haben. Das Internet gehört abwechselnd mal Facebook oder Google und wir freuen uns als alte Hasen gemeinsam darüber, daß keiner über dreißig Snapchat versteht. Was natürlich nicht stimmt, denn wer aufmerksam den Worten von Gary Vaynerchuk lauscht, kennt die allgemeine Internetweisheit: „Marketers Ruin Everything„.

Soll heißen, irgendwer wird schon einen Weg finden, wie man auch diese App mit Werbung zuschütten kann, nur um kurze Zeit später festzustellen, dass sich die wirkliche Monetarisierung auf einer ganz anderen Ebene vollzieht. Aber ich schweife ab…

Nun ist die VR Situation eine vollkommen andere. Zum ersten Mal haben wir es nicht mit einer App oder einer neuen Art von sozialer Interaktion zu tun, sondern diesmal kommen ein paar Spinner, die uns nicht nur die Zweidimensionalität, sondern unser komplettes Interaktionssystem von Maus, Keyboard und das gerade erst liebgewonnene Touchdisplays wegnehmen und als alte Kamellen verkaufen wollen.

Da wird mit einem Schlag ein ganzes Wertesystem angegriffen. Die Maus, seit dem ersten Mac und PC untrennbar mit unserer Hand verbunden, das Keyboard,  so vertraut wie seit zweihundert Jahren die gute alte Schreibmaschine und unsere Displays wurden nicht immer nur besser, größer, kleiner, dünner, sondern auch hochauflösend und berührbar.

Das alles soll jetzt mit einem Mal einer klotzigen Brille weichen? Never ever!
Ist ja auch nicht so. Niemals geht man so ganz. Der Eindruck des gefühlten Angriffs bleibt jedoch haften. Zumal die „neuen“ Bilder und Möglichkeiten, durchaus überzeugen. Die ersten Apps die versuchen den Desktop zu virtualisieren, lassen die Vermutung zu, daß hier ein Wechsel forciert werden soll. Wer hier die große Verschwörung vermutet, glaubt auch an Chemtrails und daran, dass Hillary Clintons geplante Transparenzverordnung, endlich Fox Mulders Fragen beantworten. Das muss dann wieder jeder für sich selbst entscheiden.

Erste Reaktion. Ignorieren und als Spielerei abtun. Check!

Quelle: Spiegel Online. Zwei Surferinnen auf der Bootsmesse im Januar 1973 in Duesseldorf. Archiv Calle Schmidt

Als 1973 die ersten Windsurfer auf der „Boot“ in Düsseldorf auftauchten, waren sie auch der Witz der Saison – heute füllen sie problemlos die 1.und 2. Halle.

Damals wie heute, musste man nur auf den anderen Kontinent schauen, um zu erkennen, daß es durchaus mal angebracht wäre, mit weniger Skepsis an neue Themen heranzugehen.

Wer hat jemals zu irgendeiner Zeit einen Preis dafür bekommen, weil er als erster gesagt hat: „Ich hab doch von Anfang an gesagt, daß das Quatsch ist!“, wenn sich etwas als fauler Hype und heisse Luft herausgestellt hat? Man erntet ein Schulterzucken und sonst nichts. 15 milliseconds of fame fürs Nichtstun.

Wenn man sich allerdings eine Weile mit einem Thema beschäftigt und auseinandersetzt, Dinge ausprobiert und dann feststellt, dass es ggf. kein nachhaltiges Potenzial hat, ist es vollkommen ok auch wieder davon abzulassen und sich wichtigeren Themen zuzuwenden oder zu einem späteren Zeitpunkt nochmal zu sehen ob es evtl. doch etwas bringt, wenn die Kinderkrankheiten beseitigt sind.

Erst dann wird Skepsis durch echte Meinungsbildung ersetzt, was von allen Seiten respektiert und honoriert wird. (Jedenfalls von denen, auf die es im Job und Leben ankommt.)

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Genug des Plädoyers für mehr Offenheit und Experimentierfreudigkeit.
Wer jetzt tatsächlich immer noch lieber die Abkürzung nehmen möchte und auf die 10 sinnvollen VR Anwendungen wartet, soll trotzdem nicht enttäuscht werden.

Es handelt sich nicht um einzelne Apps, sondern um Einsatzgebiete der verschiedenen Devicetypen. Von Cardboard über GearVR bis zu den PC gebundenen Headsets. Alle in einen Topf und los geht’s…

#10. Testdrive
Jede Art von räumlicher Produktvorstellung. Egal ob Automotive, Archtitektur, Immobilie oder Tourismus. Selbst mit einer einfachen Cardboard-Lösung, läßt sich mehr zeigen, als mit jeder Fotogalerie oder Video.

#9. Live
360° Streaming von Konzerten, Sportereignissen und Events multiplizieren die „erste Reihe“ und werden zum universellen Backstage-Pass.

#8. Social
„Wenn man schon andere Welten betreten kann, dann bitte nicht alleine.“ Viele VR Anwendungen fokussieren aktuell noch den Single-User. Das wird sich sehr bald ändern. Der reine Medienkonsum wird zur gemeinsamen Experience.

#7. Data
Ein sehr breites Feld, welches fast jede Branche betreffen wird. Vor der Digitalisierung wurden keine Schätze in den eigenen Archiven gehoben. Nun wo alles am Bildschirm verfügbar und per API verknüpft werden kann, tun sich Welten auf, die jetzt schon nur noch visuell aufbereitet, erfasst werden können. Im nächsten Schritt werden diese Daten vom Zwang der flächigen Darstellung befreit und in den Raum geholt. Ob VR oder AR bleibt dem Anwender und der Anwendung überlassen. Schon jetzt werden viele Daten dreidimensional auf den uns umgebenden Screens dargestellt. Der nächste Step ist da nur die logische Konsequenz.

#6. Training
Technische Abläufe sehen, verstehen, imitieren und wiederholen. Klassische Lernprozesse in Aus- und Weiterbildung können kostengünstig und effizient transportiert werden.

#5. Gesundheit
Inhale. Exhale. Ob am Strand oder auf dem Himalaya. Mentale und körperliche Fitness ist schon jetzt ein spannendes Einsatzgebiet für viele VR Anwendungen.

#4. VR
Als selbst erfüllende Prophezeiung ist es jetzt schon so, dass sich Digital-Agenturen mit den neuen, veränderten Anforderungen an das UI/UX Design in VR vertraut machen müssen. Neue Probleme verlangen neue Lösungsansätze und Denkweisen. Das Wissen das heute aufgebaut wird, ist vielseitig Einsetzbar und wird den Unterschied zwischen originärer Kreation und Imitation zeigen.

#3. Entertainment
„Let me google that for you.“

#2. Design
Entwurfsprozesse werden wieder natürlicher und „greifbarer“. VR Systeme mit Hand-Controllern lassen das skizzenhafte Zeichen ebenso zu wie den Konstruktionsprozess selbst. Dabei hilft der 3D Eindruck, schon im Vorfeld Fehler zu erkennen und zu vermeiden.

#1. You name it!
Wer bis hierhin mitgelesen hat und jetzt „seine“ Branche noch nicht wiedergefunden hat, dem sei gesagt: „Du hast entweder keine Phantasie oder du bist in der glücklichen Lage, dein Geschäft – zumindest theoretisch – auch heute noch komplett analog bestreiten zu können.“

Welche nachhaltigen Einflüsse VR/AR Themen, auf unsere Art die Dinge zu betrachten, haben werden, ist nicht vorhersagbar. Sicher ist nur, es ist einfach jetzt schon zu gut, als dass es einfach so wieder weggehen könnte.

tl;dr;
VR wird als Angriff auf etablierte Systeme wahrgenommen. Unreflektierte Skepsis sollte der Neugier weichen. Es gibt schon viele Bereiche, denen VR/AR Anwendungen einen zusätzlichen Nutzen bringen würden.